Nanotubes mit Espresso

March 28, 2007
©Deutschlandfunk

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Sendezeit: 28.03.2007 16:36. Von Jan Lublinski
Ein schneller Rechner und viel Kaffee - das sind für die theoretischen Physiker der Universität Regensburg die Werkzeuge, mit deren Hilfe sie einen besonders winzigen Schalter erfunden haben. Als Theoretiker haben die Regensburger zwar nur den Bauplan für das Nano-Schaltelement entwickelt. Doch aus Münchner Laboren kommen jetzt erste Experimente, die die Berechnungen bestätigen.

Giovanni Cuniberti ist von Beruf theoretischer Physiker, er leitet die Nachwuchsforschergruppe Molecular Computing an der Uni Regensburg, und er trinkt gerne Kaffee.

Kaffee ist für uns Theoretiker wichtig. Wir nennen es auch den "theoretischen Fluid", das heißt: Wir trinken Kaffee und produzieren theoretische Physik. Das ist unser Benzin sozusagen.

Hergestellt wird dieser Treibstoff von einer italienischen Espresso-Maschine.

Das ist die am meisten benutzte Maschine, nach dem Linux-Cluster unten im Keller, den wir für die Rechnungen benutzen.

Mit diesem speziellen Computernetzwerk im Keller berechnet Cuniberti die Eigenschaften komplizierter Moleküle. Sein Ziel dabei: Neue Bauelemente zu entwickeln, die übermorgen in Computerchips zum Einsatz kommen könnten. Bauelemente, die viel kleiner sein werden, als das, was in heutigen PCs steckt.

Stand der Technik ist die so genannte 90-Nanometer-Technologie. Das ist, was man mit dem neusten Chip, CPU, kaufen kann.

90 Nanometer - 90 Millionstel Millimeter - das sind die kleinsten Strukturen, die heute in der Chip-Industrie gefertigt werden können. Noch fünfmal kleiner sind die kleinsten Transistoren, die Physiker inzwischen als Einzelanfertigung bauen können: Dazu bringen sie zwei winzige Metall-Elektroden sehr dicht aneinander und legen ein Nanoröhrchen aus Kohlenstoff, auch Nanotube genannt, darüber. Doch viel kleiner als 20 Nanometer kann dieser Schalter nicht werden - die Metallelektroden lassen sich nicht beliebig dicht zusammenschieben, ohne dass sie ganz zusammenrutschen.

Giovanni Cuniberti hat nun einen Vorschlag, wie man noch einmal um einen Faktor zehn kleiner werden kann. Er hat sich einen Schalter ausgedacht, der aus einem einzigen Molekül besteht. Kontaktiert wird dieses Molekül mit Nanoröhrchen.

Nanotubes, Kohlenstoffröhrchen, das sind wirklich Röhrchen. Die haben einen Durchmesser von einem Nanometer. Und sie können einen Millimeter lang sein. Das wäre also eine ideale Möglichkeit, um eine winziges Objekt zu kontaktieren - statt mit Gold, Silber oder einem anderen Metall.

Als Schalter schlägt Cuniberti das organische Molekül Azobenzol vor. Seinen Rechnungen zufolge lässt sich Strom, der von einem Nanoröhrchen durch dieses spezielle Molekül zum einem anderen Nanoröhrchen fließt, ein oder ausschalten, wenn man es mit Licht einer bestimmten Farbe bestrahlt. Azobenzol verändert dann seine räumliche Struktur. Seine Elektronen bilden eine Art Brücke, und der Strom kann von einem Nanoröhrchen zum anderen fließen. Ohne Lichteinstrahlung hingegen ist die Elektronen-Brücke unterbrochen. Das Molekül lässt keinen Strom hindurch. Soweit Cunibertis Theorie.

Geprüft wird sie derzeit von Physikern an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Ihnen ist es inzwischen gelungen, im Labor ein Nanoröhrchen aufzubrechen und in der Lücke ein Azobenzol-Molekül anzubringen. Und: Sie konnten tatsächlich einen Unterschied bei der Leitfähigkeit messen, je nachdem, ob sie das Schaltmolekül mit Laserlicht bestrahlten oder nicht. Cuniberti hatte also richtig gerechnet: Der lichtgesteuerte Molekülschalter funktioniert.

Aber die Münchner Physiker haben noch Probleme, dieses Experiment zu wiederholen.

Man sieht schon ein Schalter-Phänomen. Aber wenn man versucht ein neues Experiment zu machen. Dann bekommt man einen anderen Strom. Und was die Leute in München jetzt versuchen zu tun, ist mehr Elektroden und Nanotubes von der gleichen Art zu kontaktieren.

Offenbar sind die Strukturen dieses Schalters schon so klein, dass es nicht nur darauf ankommt, dass das Schaltmolekül richtig angepasst ist, sondern dass auch die Kontakte - in diesem Fall die Nanoröhrchen - immer exakt gleich sein müssen. Es gibt also noch viel zu tun - auf dem Weg zum molekularen Computer.

Das sind extrem schwierige Messungen. Ich bin sicher, sie werden in München viel Erfolg haben, mit Alex Holleitner, er hat auch eine Nachwuchsgruppe und wir treffen uns am Donnerstag zum Dinner, um weiter über diese Sachen zu sprechen.

Und um Kaffee zu trinken?

Und Kaffee zu trinken, natürlich - obwohl am Abend liebe ich es, Grappa zu trinken.



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Sendezeit: 28.03.2007 16:36. Von Jan Lublinski
Ein schneller Rechner und viel Kaffee - das sind für die theoretischen Physiker der Universität Regensburg die Werkzeuge, mit deren Hilfe sie einen besonders winzigen Schalter erfunden haben. Als Theoretiker haben die Regensburger zwar nur den Bauplan für das Nano-Schaltelement entwickelt. Doch aus Münchner Laboren kommen jetzt erste Experimente, die die Berechnungen bestätigen.

Giovanni Cuniberti ist von Beruf theoretischer Physiker, er leitet die Nachwuchsforschergruppe Molecular Computing an der Uni Regensburg, und er trinkt gerne Kaffee.

Kaffee ist für uns Theoretiker wichtig. Wir nennen es auch den "theoretischen Fluid", das heißt: Wir trinken Kaffee und produzieren theoretische Physik. Das ist unser Benzin sozusagen.

Hergestellt wird dieser Treibstoff von einer italienischen Espresso-Maschine.

Das ist die am meisten benutzte Maschine, nach dem Linux-Cluster unten im Keller, den wir für die Rechnungen benutzen.

Mit diesem speziellen Computernetzwerk im Keller berechnet Cuniberti die Eigenschaften komplizierter Moleküle. Sein Ziel dabei: Neue Bauelemente zu entwickeln, die übermorgen in Computerchips zum Einsatz kommen könnten. Bauelemente, die viel kleiner sein werden, als das, was in heutigen PCs steckt.

Stand der Technik ist die so genannte 90-Nanometer-Technologie. Das ist, was man mit dem neusten Chip, CPU, kaufen kann.

90 Nanometer - 90 Millionstel Millimeter - das sind die kleinsten Strukturen, die heute in der Chip-Industrie gefertigt werden können. Noch fünfmal kleiner sind die kleinsten Transistoren, die Physiker inzwischen als Einzelanfertigung bauen können: Dazu bringen sie zwei winzige Metall-Elektroden sehr dicht aneinander und legen ein Nanoröhrchen aus Kohlenstoff, auch Nanotube genannt, darüber. Doch viel kleiner als 20 Nanometer kann dieser Schalter nicht werden - die Metallelektroden lassen sich nicht beliebig dicht zusammenschieben, ohne dass sie ganz zusammenrutschen.

Giovanni Cuniberti hat nun einen Vorschlag, wie man noch einmal um einen Faktor zehn kleiner werden kann. Er hat sich einen Schalter ausgedacht, der aus einem einzigen Molekül besteht. Kontaktiert wird dieses Molekül mit Nanoröhrchen.

Nanotubes, Kohlenstoffröhrchen, das sind wirklich Röhrchen. Die haben einen Durchmesser von einem Nanometer. Und sie können einen Millimeter lang sein. Das wäre also eine ideale Möglichkeit, um eine winziges Objekt zu kontaktieren - statt mit Gold, Silber oder einem anderen Metall.

Als Schalter schlägt Cuniberti das organische Molekül Azobenzol vor. Seinen Rechnungen zufolge lässt sich Strom, der von einem Nanoröhrchen durch dieses spezielle Molekül zum einem anderen Nanoröhrchen fließt, ein oder ausschalten, wenn man es mit Licht einer bestimmten Farbe bestrahlt. Azobenzol verändert dann seine räumliche Struktur. Seine Elektronen bilden eine Art Brücke, und der Strom kann von einem Nanoröhrchen zum anderen fließen. Ohne Lichteinstrahlung hingegen ist die Elektronen-Brücke unterbrochen. Das Molekül lässt keinen Strom hindurch. Soweit Cunibertis Theorie.

Geprüft wird sie derzeit von Physikern an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Ihnen ist es inzwischen gelungen, im Labor ein Nanoröhrchen aufzubrechen und in der Lücke ein Azobenzol-Molekül anzubringen. Und: Sie konnten tatsächlich einen Unterschied bei der Leitfähigkeit messen, je nachdem, ob sie das Schaltmolekül mit Laserlicht bestrahlten oder nicht. Cuniberti hatte also richtig gerechnet: Der lichtgesteuerte Molekülschalter funktioniert.

Aber die Münchner Physiker haben noch Probleme, dieses Experiment zu wiederholen.

Man sieht schon ein Schalter-Phänomen. Aber wenn man versucht ein neues Experiment zu machen. Dann bekommt man einen anderen Strom. Und was die Leute in München jetzt versuchen zu tun, ist mehr Elektroden und Nanotubes von der gleichen Art zu kontaktieren.

Offenbar sind die Strukturen dieses Schalters schon so klein, dass es nicht nur darauf ankommt, dass das Schaltmolekül richtig angepasst ist, sondern dass auch die Kontakte - in diesem Fall die Nanoröhrchen - immer exakt gleich sein müssen. Es gibt also noch viel zu tun - auf dem Weg zum molekularen Computer.

Das sind extrem schwierige Messungen. Ich bin sicher, sie werden in München viel Erfolg haben, mit Alex Holleitner, er hat auch eine Nachwuchsgruppe und wir treffen uns am Donnerstag zum Dinner, um weiter über diese Sachen zu sprechen.

Und um Kaffee zu trinken?

Und Kaffee zu trinken, natürlich - obwohl am Abend liebe ich es, Grappa zu trinken.



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